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Wer will nicht wissen, was wichtig ist? Wichtig im Leben, wichtig für die Beziehung, wichtig für den Job… Die Literatur ist voll von Erklärungen, was wichtig sein sollte, kann, darf für ein gelingendes Leben.
Aber das alles betrifft nur eine Seite des Wichtigen: die inhaltlich. Wenn Zähneputzen, Sport treiben, Steuern zahlen, pünktlich zur Arbeit kommen, Urlaub machen und tausenderlei andere Dinge wichtig sind, dann geht es ums Was. Und da ist dem einen dies wichtig, der anderen jenes. Menschen sind in ihrer Beurteilung des Wichtigen sehr verschieden. Gut so!
Das Wichtige hat aber auch noch eine andere Seite, die formale. Die darf nicht vernachlässigt werden, denn sonst hat all der Erfolg bei der Identifikation des inhaltlich Wichtigen keine Auswirkung auf das Leben. Zum Wichtigen gehört auch noch das Wie. Wie stelle ich sicher, dass das, was mir wichtig ist, nicht unter den Tisch fällt? Wichtigkeit fordert gebührende Aufmerksamkeit.
Ein Ziel ohne ein Projekt ist ein Traum. Und ein Projekt ohne Ziel ist ein Hobby.
In ähnlicher Weise möchte ich dem Wichtigen eine Form geben. Das Wichtige hat immer einige Attribute, die alle definiert werden müssen.
Etwas Wichtiges ohne Konsequenzen ist reiner Luxus.
Wichtiges ohne eine Aufgabe ist nur ein Wunsch.
Wichtiges ohne Deadline ist nur eine Idee.
Konsequenzen müssen sein
Für mich liegt auf der Hand, das nur wichtig sein kann, was unliebsame Konsequenzen zeitigt, wenn es nicht erreicht wird. Das Wichtige ist immer ein Zustand, z.B. Gesundheit, genügend Geld auf dem Konto, ein glücklicher Partner, Entspannung, ein einsatzfähiges Auto… Und wenn der Zustand nicht hergestellt oder sogar erhalten bleibt, dann passiert etwas Negatives. Frust, Trauer, Schmerz, mal größer, mal kleiner sind die Konsequenz, wenn das Wichtige vernachlässigt wird.
Simples Beispiel: Steuern zu zahlen ist wichtig. Denn wenn die Steuern nicht gezahlt werden, verliert man noch mehr Geld oder sogar Liebgewonnenes, wenn es zu einer Zwangsvollstreckung oder Pfändung kommen sollte. (Ob Steuern zahlen Spaß macht oder als gesellschaftlich notwendig betrachtet wird, ist für die Beurteilung von Wichtigkeit unerheblich.)
Ein anderes Beispiel: Für manche ist es wichtig, jedes Wochenende Fußball im Fernsehen oder im Stadion zu schauen. Denn wenn das ausfällt, dann ist die Konsequenz schlechte Laune — und das hat Konsequenzen für alle um den Fußballfan herum.
Wenn hingegen keine Konsequenzen drohen, dann ist etwas nicht wichtig; es ist Luxus.
Beispiel: Für manche ist es nicht wichtig, einen erlaubten Parkplatz in der Stadt zu wählen. Sie stellen ihr Auto irgendwo ab und bezahlen einfach den Strafzettel. Diese Ausgabe empfinden sie als irrelevant im Verhältnis zu ihrem finanziellen Vermögen. Doppelt unwichtig ist ihnen solches Parken, als dass ihnen böse Blicke von oder Umwege für Passanten egal sind.
Andererseits ist ihnen wichtig, unbeschränkt in der Parkplatzwahl zu sein, weil sie damit ihren morgendlichen Weg zu Auto minimieren. Die Konsequenz der Nichterreichung dieses Zustand ist für sie schlechte Laune und Anstrengung. Die wollen sie vermeiden.
Aus Sicht anderer Verkehrsteilnehmer ist solches Verhalten Luxus; sie können (und wollen) es sich nicht leisten.
Wichtiges muss actionable sein
Wer etwas als Wichtig identifiziert hat, hat einen wünschenswerten Zustand definiert. Er wünscht sich etwas.
Allzu oft bleibt es leider dabei. Der Zielzustand kommt über den Wunsch nicht hinaus — und ist damit nicht wirklich wichtig. Denn es fehlt ja eine Vorstellung davon, wie er hergestellt werden könnte. Dass das Universum einfach so den Wunsch erfüllt, ist unwahrscheinlich.
Um Wichtiges auch tatsächlich zu erreichen, braucht es also Aktivität. Mindestens eine Aufgabe muss formuliert werden, die es zu erledigen gilt, damit der Wunschzustand entsteht. Er ist das Ziel, von dem Tiago Forte spricht. Das braucht ein Projekt. Aber Projekt klingt gleich so groß; deshalb spreche lieber erstmal nur von einer Aufgabe.
Ohne selbst aktiv zu werden, ist die Chance, dass das Wichtige genügend Aufmerksamkeit findet, sehr klein. Es ist ja nicht klar, was dafür zu tun ist.
Beispiel: Wer feststellt, dass ihm ein nächster Urlaub wichtig ist, weil sonst Laune und Arbeitsfähigkeit leiden, der sollte sofort überlegen, was zumindest die erste Aufgabe sein kann, um den Urlaub Realität werden zu lassen. Das kann sein “Termin festlegen” oder “Einen Dauerauftrag für ein Sparkonto anlegen, damit das Geld für den Urlaub zusammenkommt.” oder “Die Partnerin fragen, ob sie mitkommen will.”
Es ist egal, was die Aufgabe ist, solange sie den Zielzustand näher bringt. Es muss auch nicht die einzige Aufgabe bleiben. Doch mit mindestens einer muss das Wichtige verbunden werden, um wirklich den Status zu verdienen. Sonst bleibt es nur ein Wunsch.
Ohne Trigger passiert nichts
Und schließlich muss das Wichtige “einen Platz im Kalender haben”. Es muss in der Zeit verortet werden. Es muss klar sein, wann etwas für das Wichtige getan wird.
Typisches Beispiel: Die Gesundheit scheint wichtig. Die negative Konsequenz liegt auf der Hand. Ebenso liegt auf der Hand, dass dafür etwas getan werden muss. Ohne Aktivität verfällt Gesundheit. Das beginnt beim Zähneputze, enthält eine gesunde Ernährung und geht für einige bis zum Marathonlauf. Wer Gesundheit wirklich Wichtigkeit geben will, der überlegt sich deshalb, was eine für ihn passende Aufgabe sein könnte, z.B. ein 7min Workout.
Solange es dabei bleibt — “Ich tue etwas für meine Gesundheit! Ich mache 7min Workouts!” —, ist die Gesundheit allerdings nur eine hübsche Idee. Oder ein “müsstisches Problem”, d.h. etwas, wofür man mal etwas tun “müsste”.
Wer es ernst meint mit der Wichtigkeit, kommt nicht umhin, die zugehörigen Aufgaben ganz konkret “im Zeitstrom” zu platzieren. Das kann per Kalendereintrag sein — “Am Freitag 24.3.2023 um 16:00 gehe ich ins Fitnessstudio.” — oder allgemeiner formuliert werden — “Mo, Mi, Fr mache ich morgens ein 7min Workout, bevor ich zur Arbeit gehe.”
Manchmal allerdings ist unklar, wann genau eine Aufgabe für das Wichtige erledigt werden muss. Dann ist die zeitliche Verortung z.B. “Immer wenn ein Kunde im Laden stöbert, frage ich ihn, ob ich helfen kann.”
Allgemeiner als Termin ist deshalb für mich Trigger, d.h. ein Ereignis. Das kann in der realen Welt stattfinden — der Kunde beginnt zu stöbern — oder durch einen “Wecker ausgelöst werden” (denn nichts anderes sind Kalendereinträge).
Oben habe ich sogar von einer Deadline gesprochen. Die gibt es in Bezug auf eine Aufgabe vielleicht nicht immer aufgrund des Inhalts des Wichtigen. Dennoch meine ich es so: Ich denke, eine Deadline ist für das Wichtige nötig. Spätestens dann tritt nämlich die negative Konsequenz ein.
Um die zu vermeiden, empfiehlt es sich, selbst eine oder sogar eine wiederkehrende Deadline zu setzen. Das ist ein Zeitpunkt, an dem über die Ausführung der Aufgaben reflektiert wird. Wenn sonst keine Trigger in den Sinn kommen, dann ist das für mich der minimale. Denn letztlich kann sonst keine gute Beurteilung stattfinden, ob dem Wichtigen wirklich gedient wurde.
Beispiel: Die Gesundheit ist wichtig. Die Konsequenz ist klar, die Aktivitäten sind umfänglich, z.B. körperliche Betätigung oder gesunde Ernährung. Wenn dazu keine konkreteren Aufgaben in den Sinn kommen und keine exakten Termine festlegbar scheinen… dann sollte allermindestens ein Termin zur Reflexion in den Kalender, z.B. “Jeden ersten Sonntag im Monat um 19:00 nehme ich mir 15min Zeit, um über meine Anstrengungen für ein gesundes Leben zu reflektieren.”
Wer sich für das angeblich Wichtige zu keiner zeitlichen Festlegung durchringen kann, muss sich eingestehen, dass es nicht wirklich um etwas Wichtiges geht, sondern nur um eine nette Idee.
Zusammenfassung
Was ist also wirklich wichtig? Nicht einfach das, was wir aus dem einen oder anderen Grund für wichtig halten. Inhaltliche Wichtigkeit ist nicht genug. Wenn wir es ernst meinen, muss das Wichtige in Form gebracht werden. Wir müssen es aufspannen zwischen Konsequenzen, Aktivitäten und Deadlines. Nur damit hat es einen stabilen Stand in unserem Leben.
Wenn ich mit dieser Definition in meine Aufgabenliste schaue… dann muss ich anerkennen, dass darin nur wenig wirklich Wichtiges steht. Das meiste ist Luxus oder höchstens Ideen. Es fehlt schlicht an Deadlines.
Das ist nicht schlimm. Luxus, Wünsche, Ideen sind auch schön. Nur sollte man sie nicht fälsch für Wichtiges halten.
In dem Moment, wo wir meinen, etwas Wichtiges identifiziert zu haben, empfiehlt sich daher, ein Abgleich mit einer Checklist.
Hat es wirklich relevante negative Konsequenzen, wenn der Zustand nicht erreicht wird? Welche, wann?
Was kann/muss ich dafür tun, das der Zustand erreicht wird? Wie sieht zumindest ein erster kleiner Schritt aus?
Wann genau tue ich etwas dafür? Wann will ich zumindest über meine Aktivitäten und den Fortschritt reflektieren?
Viel Erfolg für alles Wichtige!